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In Afghanistan gilt Schach jetzt als Glücksspiel

Denken ist offenbar nicht mehr erwünscht. So kurz und knapp könnte man die letzte Entscheidung des islamistischen Regimes in Afghanistan zusammenfassen. Dieses hat vor wenigen Tagen das Schachspielen im Land verboten. Angeblich ist das Spiel der Könige nicht mit der radikal islamistischen Gesetzgebung von Afghanistan vereinbar. Dieses Verbot trifft jedoch ausgerechnet viele Frauen, die ausgesprochene Fans von Schach sind.  

Ab sofort verboten 

Wie die Medien im Land berichten, soll Schach im islamischen Rechtssystem Scharia als Glücksspiel gelten. Dieses ist jedoch nach einem neuen Gesetz aus dem Vorjahr, das die Förderung von Tugend und die Verhinderung von Lastern vorschreibt, verboten. Damit nicht genug, gibt es jetzt offenbar auch religiöse Bedenken gegen Schach. Solange diese Bedenken nicht vollständig ausgeräumt sind, haben die Taliban jetzt das Spiel untersagt.  

Dieser Schritt ist allerdings nicht neu, denn bereits während der ersten Machtergreifung durch die Taliban in Afghanistan hat das Regime das Spiel der Könige im Land verboten. Die neue Generation der Taliban folgt also auch in diesem Bereich ihren „Vorbildern“. Um das Verbot durchzusetzen, hat die Regierung den Schachverband in Afghanistan aufgelöst. Das Spielen wurde bereits vor drei Jahren eingeschränkt, jetzt hat man auch noch den letzten Schritt konsequent vollzogen. 

Ausnahmeregelung abgelehnt 

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Doch nicht alle Spieler möchten sich mit dem Verbot abfinden. So sollen einige Spieler aus Afghanistan die Regierung ihres Landes kontaktiert und darum gebeten haben, auch weiterhin in der Schachszene aktiv bleiben zu dürfen. Doch dieses Ansuchen wurde offenbar abgelehnt, die Taliban teilten mit, dass Schach jetzt im Land als tabu gilt. 

Das gibt Sportlern wie Beobachter zu denken. Immerhin hat Schach seinen Ursprung im Denken, das ist nun nicht mehr erwünscht. In diesem Spiel findet die Schlacht nicht auf dem Schlachtfeld, sondern in den Gedanken der Spieler statt. Schach regt zum Nachdenken an, das will man offenbar mit dem absurden Argument, Schach sei ein Glücksspiel, verhindern.  

Nicht umsonst gilt Schach international als Denksport. Ginge es hier um das Pokern, könnte man das Argument noch verstehen, doch auch hier ist der Glücksanteil geringer als die Denksportleistung der Spieler. Das haben Studien schon vor Jahren nachgewiesen.  

Trotzdem ist Poker weiterhin ein fixer Bestandteil des Angebots von Online-Casinos. Diese kämpfen ebenfalls mit Verboten, wie sich am Beispiel unseres Nachbarlandes Österreich zeigt. Dort sind neue Online Casinos für Österreich per Gesetz verboten, denn die einzige Lizenz im Land hält ein ehemals staatlich dominierter Konzern.  

Psychische Belastung  

Das Verbot von Schach reiht sich damit ein, in eine Vielzahl von Einschränkungen des täglichen Lebens seit der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan. Das macht das Leben im Land, vorwiegend für jene, die Schach lieben, nicht einfacher.  

Schließlich war das Spiel der Könige vor der Rückkehr der Taliban an die Macht sehr verbreitet. Afghanistans Schachverband war in 28 der insgesamt 34 Provinzen des Landes vertreten und veranstaltete regelmäßig Schachturniere. Laut Aussagen afghanischer Spieler hat Schach eine lange Tradition im Land und wurde nicht nur bei Treffen von Freunden, sondern auch in Teehäusern und zahlreichen Turnieren gespielt. Doch das ist jetzt vorbei. 

Dieser Rückschlag trifft jedoch auch die jüngere Generation und viele Frauen. Für sie bedeutet das Verbot einen herben Rückschlag, der auch eine psychische Belastung darstellt. Viele Spielerinnen fühlen sich um ihre Leidenschaft betrogen und sehen sich in ihrem Freiraum noch stärker eingeschränkt als je zuvor.  

Diese waren bisher in zahlreichen Frauenmannschaften in nicht weniger als acht Provinzen des Landes aktiv. Doch damit ist jetzt Schluss. Wo bisher Mädchen im Schachspiel unterrichtet wurden, herrscht jetzt Stille. Der Schritt zum letztendlichen Verbot war in den vergangenen Jahren jedoch schon absehbar. Schach war den Taliban offenbar schon seit langem ein Dorn im Auge, daher wurde der Sport Schritt für Schritt immer weiter eingeschränkt. 

Betroffen sind Profis wie Amateure 

Das gilt und galt nicht nur für die Amateure oder Nachwuchsspieler, sondern auch für die Nationalspieler von Afghanistan. Wie einer von ihnen berichtete, sei das gesamte Team des Landes bedroht worden. Jeder, der Afghanistan vertreten würde, müsse mit gravierenden Folgen rechnen.  

Doch nicht alle Spieler des Landes lassen sich davon beeindrucken. So nahm die offizielle Nationalmannschaft von Afghanistan zuletzt im September 2024 an der Schacholympiade in Ungarn teil. Einer der Spieler nutzte die Gelegenheit und flüchtete nach Deutschland. Er sieht sein Spiel als Ausdruck des Widerstands und des Protests. Den Frauen seiner Heimat geht es da sehr viel schlechter. Sie dürfen weder Schach noch sonst eine Sportart ausüben. 

Mit dem Verbot verliert Afghanistan auch ein Stück seiner bisherigen Identität. Die Sportler sehen sich gezwungen, entweder im Geheimen zu spielen oder aus dem Land zu flüchten. Noch ist das letzte Wort nicht gesprochen, schließlich hängt ein langfristiges Verbot auch davon ab, wie die religiösen Führer Schach endgültig beurteilen. Doch die Entwicklung der letzten Jahre in Afghanistan lässt befürchten, dass sich an dem Verbot von Schach so schnell nichts ändern wird.  

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